"Ein Sommer im Stadion" oder auch "Mein Länderpunkt Niederlande"

  • Liebe Community,

    Lange nix gehört! Wie geht's, was treibt ihr so? Ich dachte mir, ich schreib mal wieder. War mir so nach. Vielleicht interessiert euch ja die Geschichte, wie ein Fortuna-Sticker den Weg in ein niederländisches Stadion gefunden hat. Ja? Also, das war wie folgt...

    Angefangen hat es wohl mit dem Buch "Wir Wochenendrebellen" unseres Leidensgenossen Mirco Juterczenka und seines Sohnes Jason, in dem die Reise der beiden durch die deutschen Stadien auf der Suche nach einem Lieblingsverein beschrieben wird. Absolute Leseempfehlung!

    Die Disziplin des Groundhopping war mir vorher durchaus ein Begriff. Eine gewisse Faszination haben die Ausführungen in mir dann aber doch geweckt. Davon motiviert habe ich mir eine passende App rausgesucht und mal alle meine Grounds festgehalten. Vermutlich weniger, als der durchnittliche Fortuna-Fan, der schon ein paar Jahre länger dabei ist als ich, aber durchaus eine respektable Grundlage. Bewaffnet mit dem 9€-Ticket wurden dann also Metropolen wie Monheim, Klassiker wie Union Solingen oder Schwarz-Weiß Essen und auch alte Bekannte wie KFC Ördingen oder Preußen Münster besucht.

    Die Urlaubsplanung stand an und nach etwa dreijähriger Corona-Pause sollten es mal wieder die Nachbarn in Orange sein - die Gelegenheit für einen Länderpunkt. Ein nettes Häuschen im Norden des Landes war gefunden, also Spielpläne prüfen. Angeboten hatten sich die beiden Kandidaten SC Cambuur aus Leeuwarden sowie der Lokalrivale sc Heerenveen, die im Abstand von einer Woche jeweils am Sonntag zuhause antreten sollten. Die Buchung also von Sonntag bis Sonntag gewählt und dann hieß es abwarten auf den freien Vorverkauf. Dachte ich.

    In den Niederlanden - einige von euch wissen das vielleicht bereits, mir ist das erst in der Recherche klar geworden - wird für den Kauf von Eintrittskarten in den meisten Fällen eine sogenannte Clubkarte benötigt. Das ist eine Art Mitgliedschaft, manchmal kostenfrei, meist einmalig um die 10€, mit einer Laufzeit von fünf Jahren. Der Clou: Du darfst nur genau eine Clubkarte besitzen. Mal eben verschiedene Vereine besuchen ist also nicht. Außerdem ist es zum Teil nötig, eine niederländische Anschrift und Zahlungsdaten zu besitzen. Jetzt würde man erwarten, dass solche verbandsübergreifenden Regelungen auf der Internetseite der Liga aufgeführt und erklärt sind, ist aber nicht so. Alles also nicht so leicht für angehende Groundhopper.

    Halb aus Unwissenheit, halb mit der Hoffnung auf unbürokratische Hilfe habe ich mich dann per Mail an die beiden infragekommenden Vereine gewendet, um Aufklärung über die für mich nicht ganz einleuchtende Lage zu bekommen. Während Cambuur mir keine Hoffnung auf Karten gemacht hat, nahm man sich bei Heerenveen ziemlich viel Zeit für mich, um mir die Lage zu erklären und mir außerdem in Aussicht zu stellen, dass man mir, sofern die gesetzlichen Regelungen für den Spieltag das zulassen, Karten verkaufen könnte. Kurz vor dem Spieltag habe ich mich dann nochmal gemeldet, und nach einigem hin und her gab es dann in der Tat zwei Tickets für mich. Diese wurden mir sogar auf meinen Wunsch noch ausgedruckt an der Kasse hinterlegt, sodass ich mir das Sammlerstück am Spieltag noch abholen konnte.

    Ebenfalls in der Hoffnung auf etwas Unterstützung ließ ich bei meiner Airbnb-Vermieterin Marijke fallen, dass ich versucht habe, Tickets für das Cambuur-Spiel zu organisieren, wobei sich rausstellte, dass sie Dauerkarteninhaberin im Supportbreich ist. Sie versprach mir, sich umzuhören, konnte aber bis Samstag Abend vor dem Spiel nur eine Karte zur Verfügung stellen. Ernüchtert, aber glücklich über den netten Versuch machten wir uns am Sonntag, dem Spieltag, dann auf den Weg ins Airbnb, wo wir gegen 14:00 Uhr eintreffen sollten. Um 13:00 Uhr leuchtete eine niederländische Nummer auf dem Display auf. Marijke rief an und hatte ein zweites Ticket für uns. Kurz die Entfernung gecheckt, nach Parkmöglichkeiten erkundigt und dann ging es mit einem leichten Kurswechsel in die Innenstadt von Leeuwarden. In einem Wohngebiet haben wir dann eine Lücke gefunden (mit Parkscheibenpflicht und einer maximalen Standzeit von 2 Stunden, wie sich später rausstellte, aber wir hatten wohl einen doppelten Glückstag und kamen ungeschoren davon) und eilten mit einigen Minuten Verspätung in den Block. In der Eile natürlich auch keine Aufkleber in der Tasche gehabt, hier löst sich die Geschichte also noch nicht auf. Cambuur verlor vor 10.000 Zuschauern und ausverkauftem Haus 0:1, die erhoffte Stimmungsexplosion blieb also aus.

    Eine weitere Chance dafür gab es dann aber ja eine Woche später in Heerenveen. Früh in der Stadt, um unsere Karten abzuholen, sahen wir uns bei regnerischen Wetter geschlossene Geschäfte an. Da uns das nachvollziehbarerweise schnell langweilig wurde, nahmen wir uns dafür umso mehr Zeit, das Stadion zu bestaunen. 21.000 von 26.800 Plätze füllten sich im Laufe der Zeit, 2 zu 1 Torjubel (ohne Danke-Bitte-Spielchen, absoluter Pluspunkt) sowie je ein weiterer kleiner Jubel aus beiden Fanlagern beim Elfmeter-Pfiff für Heerenveen und dem von Lars Unnerstall gehaltenen Ball konnten bewundert werden. Gelungener Tag, nicht zuletzt, weil mir wie bei den letzten Groundhops aufgefallen ist, wie schnell ich mich dann doch in ein fremdes Fanlager einfühlen kann. Als Teil der Heimkurve habe ich mich im Rahmen der Möglichkeiten relativ schnell beim Klatsch-Support beteiligt, mich über gute Aktionen gefreut und das ein oder andere "EY!" bei einem Foul fiel wohl auch. "Der hat schon Gelb!" ist nicht so mein Ding, aber wenn, dann hätte ich das den niederländischen Spielern wohl auch um die Ohren gehauen. Die größtenteils unbeklebten Sitzschalen in beiden Stadien luden zwar nicht gerade dazu ein, obwohl die Städte ganz gut von Fans dekoriert waren, unter leicht schlechtem Gewissen ließ ich aber doch unser Emblem im Abe-Lenstra-Stadion.

    Wir waren mit einigen Annahmen über den niederländischen Fußball im Gepäck angereist und waren gespannt darauf, diese zu bestätigen oder zu widerlegen. Eine Auswahl (höchst subjektiv!):

    Der niederländische Fußball ist in Sachen Kommerzialisierung das, was wir versuchen zu verhindern, aber wohl nicht verhindern werden können.

    Widerlegt. Gesponserte 10-Minuten-Abschnitte oder überpräsente Werbebanden gab es nicht. Da ist so manche Auswärtsfahrt in Deutschland deutlich schlimmer. Anders als die Bürogebäude-artigen Fassaden der beiden Stadien vermuten lassen, haben sie keinen verkaufen Namen. Das wird in der gesamten Bundesliga schon eng.

    Stimmungstechnisch herrschen "englische Verhältnisse".

    Teilweise widerlegt. In Cambuur war es teilweise schon sehr still. Koordinieren Support mit Megafonen und Trommeln scheint es dort nicht zu geben. Heerenveen hat mit dem deutlich größeren Support-Bereich aber einen sehr guten Eindruck gemacht. Auch die beiden Auswärts-Begleitungen aus Groningen und Enschede waren sehr gut drauf, wenn auch nicht vollbesetzt. Insgesamt war das schon mit dem Support deutscher Traditionsvereine in Liga 1 und 2 vergleichbar.

    Tickets, Speis und Trank sind teuer und durch schwachsinnige Bezahlsysteme unbequem.

    Teilweise widerlegt. 0,25l Bier und eine Tüte Pommes gab es für je 3 Euro in Bar bei Cambuur. Teuer, aber für eine Veranstaltung mittlerweile wohl auch hier fast normal. Immerhin kein Umweg über Bezahlkarten oder Wertmarken. In Heerenveen wurde es schon etwas umständlicher. Für 2,75€ gibt es dort eine Münze, die wiederum gegen 0,25l Bier getauscht werden kann. Für 1-2 Münzen gibt es auch Speisen, das hat mich an diesem Tag aber nicht weiter interessiert. Der Besuch selbst schlug in Heerenveen mit 19€ für einen Sitzplatz im Oberrang-Kuchenblock zu buche, also auch verkraftbar. Alles also ebenfalls vergleichbar mit unseren Stadien.

    Mein Fazit: Sollte sich die Gelegenheit nochmal bieten, freue ich mich auf einen weiteren Besuch in einem niederländischen Stadion. Am schönsten ist es natürlich immernoch zuhause, aber im Urlaub kann ich es, genau wie eine Fridandel aus dem Automaten oder Amstel aus der Dose, durchaus genießen. Das Friesen-Derby Cambuur gegen Heerenveen gewinnt für mich persönlich übrigens letzterer Verein. So leid es mir für die wirklich sehr hilfsbereite und freundliche Marijke tut, macht für mich die Stimmung einfach den Unterschied.

    Weiter geht es dann jetzt erstmal wieder in Deutschland. Diesen Winter gibt es ja reichlich Gelegenheit, sich die Regionalliga nochmal genauer anzusehen.

    Puh, langer Text geworden, was? Sorry Schorsch, aber vielleicht hat es ja auch etwas Spaß gemacht 😁