Verhärtete Fronten und Drohgebärde
München - Die Handball-Bundesliga (HBL) steht vor den wohl schwersten Tagen seit der Gründung vor zwei Jahren. Nach dem TUSEM Essen hat am Freitag auch die SG Wallau/Massenheim am Landgericht Dortmund eine Einstweilige Verfügung zur Erteilung der Lizenz für die neue Saison eingereicht, die noch in dieser Woche verhandelt wird. Setzen sich die beiden Klubs vor dem Zivilgericht durch, droht die Aufstockung der Liga auf bis zu 20 Mannschaften und damit ein Termin-Chaos.
Gegenseitige Vorwürfe
Der Ton zwischen den Klubs und dem Ligaverband, dem beide Vereine ja auch angehören, verschärft sich derweil immer mehr. Gegenseitige Vorwürfe und Schuldzuweisungen werden nahezu täglich ausgesprochen. Zuletzt attackierte der zweimalige Meister SG Wallau die HBL und warf ihr Hinhaltetaktik vor. Hintergrund: Das Ständige Schiedsgericht sollte als letzte Sportgerichtsinstanz seine Entscheidung Mitte Juli treffen.
"Kritik geht an der Sache vorbei"
"Es ist für uns unerträglich, dass die HBL wissentlich in einer so kritischen Situation einen Entscheidungs-Stillstand von fünf Wochen entspannt und billigend hinnahm", ließen die Hessen in einer Presseerklärung mitteilen. Dagegen wehrt sich HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann. Er sagte Sport1.de am Sonntag: "Diese Kritik geht an der Sache vorbei. Die Termine setzt allein das Ständige Schiedsgericht fest. Auch wir sind an einer schnellen Lösung interessiert."
HBL lässt sich alle Optionen offen
Bohman kündigte bereits an, der Ligaverband könnte selbst bei einer Niederlage vor dem Landgericht der Entscheidung der Richter nicht folgen. "Wenn dieses Gericht entscheidet, dass wir die Lizenz zu erteilen haben, werden wir es uns überlegen. Es könnte aber auch sein, dass wir dieser Anordnung nicht folgen", sagte Bohmann.
Stimmung ist gereizt
Hintergrund: Wallau sowie Essen hatten sich im Lizenzvertrag verpflichtet, das Ständige Schiedsgericht als letzte Instanz anzuerkennen. "Weil dem so ist, könnte es durchaus sein, dass wir einen Verein, der sich nicht daran hält, auch nicht in die Bundesliga aufnehmen müssen", so Bohmann. Ein Säbelrasseln. Doch die Stimmung ist gereizt, die Fronten verhärtet. Bohmann sagt: "Die betroffenen Vereine sollten sich einfach vergegenwärtigen, dass sie monatelang keine Gehälter bezahlt haben." HBL-Anwalt Andreas Thiel hatte bei Sport1.de berets angekündigt, der Verband werde im Falle einer Niederlage in jedem Fall in die Berufung gehen.
Solidargemeinschaft der Bundesligisten ist belastet
Derweil sind die Konsequenzen nicht abzusehen, sollten sich die Klubs vor dem Zivilgericht durchsetzen. Das würde bedeuten, dass das Lizenzierungsverfahren rechtswidrig wäre. Der Ligaverband wäre gezwungen, die Bestimmungen komplett zu überarbeiten. Rechtsunsicherheit wäre die Folge. Bohmann hofft indes, dass das Lizenzierungsverfahren bestätigt wird und sich "nicht als Papiertiger entpuppt". Darüber hinaus ist die Solidargemeinschaft der Bundesliga-Klubs aufs Äußerste belastet. Der Vorsitzende Bernd-Uwe Hildebrandt, dessen Amtszeit im Sommer abläuft, erklärte bei Sport1.de bereits, sein Nachfolger solle sich angesichts der Vorgänge genau überlegen, ob "es das wert ist", die Aufgabe zu übernehmen.
Jacobsen: "Sehr traurig"
Die HBL und der Deutsche Handball-Bund (DHB) wären gezwungen, den Grundlagenvertrag anzupassen, sollte es tatsächlich zur Aufstockung der Bundesliga kommen. "Dann müsste reagiert werden", bestätigte DHB-Sportdirektor Peter Sichelschmidt gegenüber Sport1.de. Nicht nur die Abstiegsregelung müsste überarbeitet werden. Auch die Abgabe der Spielbeiträge müsste angepasst werden, da ja mehr Spiele in der Bundesliga stattfinden. Heinz Jacobsen, früherer Vorsitzender des Ligaverbands und Initiator des Lizenzierungsverfahrens, wollte keinen Kommentar zu den Vorgängen gegenüber Sport1.de machen. Der Kieler sagte nur: "Ich bin über die Entwicklung sehr traurig."