Bissken historischer Hintergrund zur Kirmes

  • Von der kleinen Kirchmesse zur größten Kirmes


    Das Wort Kirmes entwickelte sich aus dem Begriff Kirchmesse, die mit gutem Essen und auch Tanz gefeiert wurde, wie eine Messe oder ein Jahrmarkt, rund um das Gedenken einer Kirchweihe. Mit der Kirchweihe wiederum ist der Gedenktag des Kirchenpatrons eng verbunden. Wenn der Todestag eines Heiligen nicht bekannt war, dann wurde der Tag gefeiert, an dem mit seinem Namen die jeweilige Kirche geweiht wurde. Für Düsseldorf soll ein solches Kirchweihfest mit traditionellem „Vogelschießen“ und einem Patronatsfest seit 1435 belegt sein. In einer Chronikauflistung ist für 1190 schon verzeichnet: „Herzog Gerhard erlaubt, nach dem Vogel zu schießen“. Geistliche Feier und weltliches Vergnügen haben also schon sehr früh zueinandergefunden und gibt dem heutigen Publikumsmagneten eine jahrhundertealte Tradition mit auf den Weg.


    „Die Größte Kirmes am Rhein“, dieser werbewirksame Begriff stammt etwa aus der Zeit um 1970, hat aber immer noch einzig zwei Feier-Anlässe: Das Kirchweihfest der katholischen Basilika St. Lambertus und das Fest des Stadtpatrons St. Apollinaris (von Ravenna), dessen Reliquien in Düsseldorfs Mutterkirche St. Lambertus aufbewahrt werden. Es soll nun auch einen Namensstreit geben zwischen den Ausrichtern der Kirmes und der katholischen Kirche in Düsseldorf. Um den religiösen Hintergrund nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, strebt die katholische Kirche eine Umbenenung („Apollinaris-Kirmes“) an, die aber der St. Sebastianus-Schützenverein ablehnt, weil der werbewirksame Namen „Größte Kirmes am Rhein“ schon fest in den Köpfen der Besucher verankert sei und mit diesem Namen auch ein Millionen-Umsatz jedes Jahr geschaffen würde.


    Zur „Größten Kirmes am Rhein“ passt dann auch die Bezeichnung des Volksmundes für die Pfarrkirche St. Lambertus: „Grote Kerk“, der Dom von Düsseldorf.


    Pilger in der Stadt
    Früher wäre „Apollinaris-Kirmes“ sicherlich auch für einen großen Umsatz gut gewesen, denn wie in anderen Städten haben Reliquien auch in Düsseldorf Scharen von Pilgern und Besucher angelockt. Je mehr Reliquien, um so wichtiger waren sie für Pilger, die Geld in der Stadt zurückließen…Pfarrpatron der Mutterkirche ist der Hl. Lambertus, der als Märtyrer in Lüttich wegen seines Glaubens im Jahre 705 ermordet wurde. Das Kirchengebäude mit dem heutigen Aussehen entstammt etwa dem Jahre 1394, seit dem selben Jahr wird der Hl. Apollinaris als Stadtpatron verehrt. Mit Reliquien versuchte gegen Ende des 14. Jahrhunderts Herzog Wilhelm von Berg seine Stadt am Rhein noch attraktiver für Besucher zu machen und für einen weiteren Aufschwung im sozialen und religiösen Bereich zu sorgen. Heilige, die Berührung und die Verehrung ihrer Reliquien waren aber auch eine Art Zugang für die Menschen in die Welt zu Gott und in damaliger Zeit waren das alltägliche Leben und die Religion untrennbar.


    Seit 1383 befinden sich die Gebeine von Apollinaris in Düsseldorf --- aber ohne Kopf – der ist in Remagen aufbewahrt und war nur zwischen 1812 und 1826 kurzfristig in Düsseldorf. In einer Fehde gegen den Abt von Siegburg Remagen siegte der Herzog 1383 und holte als Siegesbeute den heiligen Apollinaris nach Düsseldorf. Seine Beute sicherte er vor Rückforderungen, indem er beim Papst Bonifaz IX. erreichte, dass der Hl. Apollinaris zum Stadtpatron erhoben wurde. 1394 wurde die Kirche der Gottesmutter Maria geweiht und als Nebenpatrone gab es den Hl. Lambertus, den Hl. Thomas, Pankratius, die Kölner Bischöfe Serverin und Anno und eben den Hl. Apollinaris.


    Seine Gebeine ruhen heute in einem kostbaren Schrein (1665) im Pfarraltar der Kirche, gleichsam im Mittelpunkt der Stadt. Der 23. Juli wird als Festtag des Apollinaris gefeiert, wobei dieser Tag auch immer mitten in den Tagen der „Größten Kirmes am Rhein“ liegt. (Wer keinen Kalender hat, aber zur großen Kirmes kommen will, braucht sich also eigentlich immer nur den 23. Juli bis in alle Ewigkeit zu merken!) Im Jahr 2006 ist es der letzte Kirmestag und weil immer am Donnerstag vor dem Ende der Kirmes die große „Apollinaris-Prozession“ in der Innenstadt stattfindet, wird diesmal der 20. Juli der Festtag des Stadtpatrons sein.


    APOLLINARIS-LIED:
    Heiliger Apollinar, mächtig und wunderbar,
    Zuflucht und Schutzpatron unserer Stadt.
    Blick auf das Volk herab, dass deinem Hirtenstab,
    deiner Fürsprache ergeben sich hat.
    Unsre Gemeinde schütze vor Feinde Leibs und der Seele,
    erbitte bei Gott und die Befreiung von jeglicher Not.


    Beim nächsten Besuch im UERIGE auch mal das UERIGE-Fenster mit Schützenmotiven angucken...


    Seit 1901 sind die Oberkasseler Rheinwiesen zwischen Rheinknie- und Oberkasseler Brücke als „Festwiese“ jedes Jahr fest in den Terminkalender eingeplant. Davor fand das Volksfest seit 1875 auf der „Golzheimer Insel“ statt; etwa dort, wo manchmal der Circus Roncalli heutzutage seine Zelte aufbaut oder Freizeitkicker über die großen Wiesen dem Ball hinterherjagen. Ab 1824 waren der Hofgarten und die Flächen rund um das Ratinger Tor bis hin zum Sicherheitshafen mit Kirmesbuden, ersten Fahrgeschäften und der „Schützenwiese“ belegt und lockten zahlreiche Besucher aller Schichten und jeden Alters an. Aber wie immer hat doch alles in der „Unterhaltungs-Industrie“ auf einem Jahrmarkt angefangen… Gaukler, Puppenspieler, Heilkünstler, erste Karusselle, Tanzbären, Seiltänzer, Musiker oder Mitte des 17. Jahrhunderts auch schon Holzrutschbahnen waren die ersten Kirmesattraktionen bis dann Erfindergeist und Vergnügungssucht immer raffiniertere und einträglichere Angebote für die Kirmesbesucher entwickelten. So wird heute jedes Jahr immer mit noch größeren, höheren und schnelleren Attraktionen geworben.


    Zwei Strophen über die Düsseldorfer Schützen von Monika Voss, 2001:
    „Jede Schötz nömmt sech janz vill vör,
    steht de Schötzesäsong widder vör de Dör.
    Dat Mannbeld steht för de Beauty parat,
    von Kopp bes noh de Fööß fein staats jemaht.
    Elejante Buxe, jröne Jäckskes,
    joldene Knöpp on rode Bäckskes!
    Dat Poblikom es wie doll am applodeere,
    deht dä Schötzezoch vörbeimarscheere!!!“


    ...alles mal nachzulesen in meinem Buch über "Sitten und Gebräuche", das im Mai herauskommen soll, SUTTON-Verlag.



    Viel Spaß und einen schönen Abend noch wünscht der Stadtführer


    www.thomas-bernhardt-im-web.de