Die Flinger Hellweg-Bande kommt auf die Bühne

  • Für alle, die immer schon mal wissen wollten, was in Flingern lange vor den BoBo´s und dem "Nerd"-Look die Szene beherrschte:


    Zitat: „Es gibt nur wenig Informationen über die Bande. Sie war von 1945 bis
    1946 aktiv und bestand aus Jugendlichen, die teils am Hellweg oder in
    dessen Umgebung wohnten, teils aus Kinderheimen weggelaufen waren“, sagt
    Ebel. „Sie plünderten die Lebensmittellager der britischen Besatzer,
    die sich ganz in der Nähe befanden. Und was sie für sich selbst nicht
    brauchten, sollen sie den Bewohnern abgegeben haben. Am Hellweg wohnten
    schon damals in erster Linie arme Menschen“


    http://www.wz-duesseldorf.de/?redid=858081


    Jungs und Mädels, ob Neu- oder Alt-Flingeraner: ab ins Juta! :thumbup:

  • Da werde ich dabei sein. Genial. Ich dachte die Hellwegbande wäre hier in Düsseldorf nicht bekannt.
    Von einer Alten Dame weiß ich das die Hellwegbande u.a die Anwohner auch mit Kohle zum heizen versorgt hat.
    Danke für den Hinweis.

  • Der Anführer der Hellwegbande war mein Vater, der leider letztes Jahr am 1.08. mit 83 Jahren gestorben ist.
    Auch ich habe die Aufführung im Juni von Herrn Ebel gesehen. Manchmal kamen die Szenen der Wahrheit ziemlich nahe, doch meistens gingen sie daran vorbei, da Herr Ebel sich zwar sehr bemühte, der Wahrheit nahe zu kommen, aber die meisten betroffenen Menschen bereits verstorben waren oder vielleicht gar keine Auskunft geben wollten (das war schon damals so). Bedauerlicherweise haben wir uns erst kennengelernt, als das Stück schon geschrieben war.


    Mein Vater (Hubert Lange) spielte nicht die Hauptrolle, sondern jemand, der aus der Bande aussteigen wollte. Was ich sehr schade finde, da mein Vater ein Geber war, ein herzensguter Mensch.
    Die Bande bestand außerdem aus maximal vier Leuten, da mein Vater grundsätzlich ein Einzelgänger war und nicht aus so vielen Leuten, die in dem Stück zu sehen waren.
    Sicherlich kannte er die meisten aus dem Stück, aber sie hatten wenig mit der Bande zu tun.
    Leider gibt es ja immer wieder Menschen, die dabei gewesen sein wollten.
    Die Bande entwickelte sich aus der Not, da die Jugendlichen Hunger hatten.
    Mein Vater hatte auch nie ein Maschinengewehr oder sogar noch Pistolen im Stiefelschacht getragen.
    Er ist mit einer Luftpistole von den Engländern erwischt worden und zu Tode verurteilt worden.
    Montgomery hatte ihn seinerzeit nach Kriegsende begnadigt.


    Eine witzige Geschichte, die ich Euch nicht vergönnen möchte, ist folgende:
    Ein paar Mann, darunter mein Vater, überfielen ein Lager, das zentnerweise Zucker aufbewahrte.
    Er trug den schweren Sack den Hellweg entlang, glücklich darüber, eine gute Beute gemacht zu haben.
    Doch in dem Sack war ein Loch und so rieselte der Zucker den Hellweg entlang.
    Am nächsten Morgen fand man die Anwohner des Hellwegs mit Teelöffeln den Zucker auflesen...


    Es ist übrigens wahr, dass mein Vater und seine Kumpanen den armen Leuten ihre Beute überließen, wenn sie selbst genug hatten. Zum Beispiel Butter - war damals Gold wert.


    Es gab damals einen Polizisten, der ziemlich viel Unfug über meinen Vater herumposaunt hat. Wahrscheinlich nur deshalb, damit niemand bemerkte, wieviel Angst er wohl vor ihn hatte.
    Leider gab es außerdem einen Zeitungs-Redakteur, der meinen Vater zum schlimmsten Verbrecher aller Zeiten machen wollte. Naja, so sind sie halt...


    Obwohl er so viel Mist miterlebt hat, z.B. hat seine eigene Mutter ihn an die Polizei verraten oder sein Vater ihn schon mit 14 vor die Türe gesetzt, ist er ein herzensguter, niemals gewalttätiger Mensch gewesen. Er hatte selbst Angst. Angst vor dem nächsten Tag. Er lebte in leerstehenden Wohnungen, mit den Händen als Kissen unter der Wange.


    Er hat aber auch nie Fuß gefasst. Zeit meines Lebens war er oft nicht zu Hause, weil er im Knast saß.
    Er hat diese Zeiten nie überwunden, musste immer wieder aus innerem Zwang auf "Tour" gehen.
    Ich bedaure von Herzen, dass diese Zeiten ihn kaputt gemacht haben, weil ich gerne mehr von ihm gehabt hätte, aber auf der anderen Seite bin ich sehr stolz auf ihn, weil er nie die Hand zum Gruße erhoben hat und weil er die letzten Lebensjahre meiner Mutter für sie da war. Sie umsorgt hat.


    Vielleicht melde ich mich nochmal. Werde mal meine Notizen rauskramen und gucken, ob nach was Interessantes für Euch dabei ist.


    R.G.


    PS: Das Bild auf der Ackerstraße ist zwar schön, aber wie gesagt, mein Vater hatte kein Maschinengewehr.
    Wie hätte er auch daran kommen sollen? Die konnte man auch gar nicht so halten. Leute, das waren andere Zeiten. Wisst Ihr eigenlich wie schwer diese Dinger damals waren. Und er war sicherlich kein Rambo... Außerdem war er in Wahrheit viel größer - grins.


  • Eine Geschichte die mich berührt . Schlimm was dein Vater erlebt hat . Wir sprechen hier von Krieg und Elend,Tod ,Hunger und Not ... und manch einer hat sein Leben lang damit zu kämpfen . Der eine leise der ander laut ,hilflos .. meine Oma war leise ... und hat ein leben lang gelitten...nur Ansatzweise habe ich eine Ahnung was die Menschen mitgemacht haben.

  • Hallo,



    als Zugezogene habe ich Düsseldorf erst ab 1974
    kennengelernt. Doch auch in den 70ern war Graf Mocca von Tonelli eine Legende.
    Nun soll man nicht alles glauben, was erzählt wird, schon gar nicht, was die
    Stenze in den Kneipen sich und anderen weismachen wollten. Jeder wollte sich
    selbst ins beste Licht stellen. So wird es auch Hubert Lange ergangen sein, er
    war ja ein ganz junger Mann zu Zeiten der Hellwegbande und die lange Haftstrafe
    war seinerzeit ganz und gar kein Zuckerschlecken. Man kann ihm alles Mögliche
    nachsagen, was sollte er entgegnen?!



    Man darf auch nicht vergessen WIE schlecht des den einfachen
    Menschen in den letzten Kriegsjahren und am Ende des Krieges erging, Gras und Baumrinde
    wurde gegessen, herrenlose Hunde und herumstreunende Katzen wurden von den
    Kindern in den Trümmern gejagt um irgendwas zwischen die Zähne zu bekommen. Es
    ist herzzerreißend, wenn einem ein alter Mann, der diese Zeit in Flingern
    erlebte und erlitt, so etwas erzählt, während er deinen Hund krault und seine
    Augen feucht und feuchter werden, er sich aufrichtet, schnupft und trotzig sagt:
    „Und ich würde es wieder tun!“ Wir Jüngeren können uns diese Not einfach nicht
    vorstellen, denn das war kein mehr oder minder kurzfristiges Hungern wie bei
    einer Fastenkur, das ging über Jahre! Der kleine und junge Hubert Lange kannte
    in seinem 18-jährigen Leben nur die Nazizeit und wuchs im Krieg zum Teenager
    heran. Man braucht nicht viel Phantasie, wenn man die Umstände nachvollzieht um
    sich diese Prägung vorzustellen. Mit 18 Jahren war man damals nicht nur
    Jugendlicher und unmündig, das biologische Reifealter war nicht das der
    heutigen Zeit.



    Man müsste die damaligen Polizeiakten nachlesen dürfen, um
    herauszufinden, welche Waffen bei der Riesenpolizeiaktion, die 1946 zur
    Verhaftung führte, tatsächlich gefunden wurden. Verwandte wie ein Sohn könnten
    hier Erfolg haben. Ich denke, solche „Einzelschicksale“ sind mehr als ein
    Theaterstück wert und wohl filmreif. Dass Hubert Lange nach seiner Haft laut
    seinem Sohnemann rastlos blieb, vielleicht gar nicht ins bürgerliche Leben
    fand, ist verständlich. Aus diesen Gründen gibt man sich seit einigen
    Jahrzehnten mehr Mühe Straftäter schon während der Haft zu resozialisieren.
    Doch an mangelnder Sozialisation lag es bei diesen jungen Leuten, die einfach
    hungerten, wohl weniger, da kam man wohl vom „organisieren“ zu anderen Taten.
    Wenn die ganze Welt in Trümmern liegt und man die Bombennächte noch im Ohr hat…





    http://www.spiegel.de/spiegel/spiegelspecial/d-45964805.html



    Meine Eltern waren im gleichen Alter wie Hubert Lange und
    sie und noch sehr viel Ältere haben mir in meiner Kindheit sehr anschaulich vom
    Krieg und später auch, was zu diesem Krieg führte erzählt. Die Nachkriegszeit
    war für alle hart, die nicht Vieh und etwas Land besaßen, nichts zu tauschen
    hatten, keine Wohnung… ich kann mich noch an Gebäude in der damaligen
    Bundeshauptstadt Bonn erinnern, die in den frühen 60ern nur aus ein oder zwei
    Etagen und dem Kellergeschoss bestanden und deren zerbombte, verräucherte
    Fassade oberhalb der noch bewohnbaren Geschosse von hinten mit Balken gestützt
    wurde. Abriss Mitte der 60er. Derartige und noch schlimmere Kriegsschäden waren
    in der damaligen DDR noch in den 70ern in vielen Vierteln normal. In was man
    als Kind so herumgekrochen ist – und wie gefährlich das eigentlich war, erkennt
    man halt viel später. Man kann nur hoffen, dass sich die Bewohner retten konnten
    – als Kind der Nachkriegszeit denkt man nicht daran.



    Ich finde es schade, dass Morakys nur diesen Beitrag
    geschrieben hat. Ich möchte gern mehr erfahren, was er von seinem Vater, den
    damaligen Umständen und dem weiteren Lebensweg berichten kann.



    Wir wissen heute, dass viele Soldaten, aber auch Jugendliche
    der damaligen Zeit nie ins normale Leben zurückfanden (und wissen es von
    unseren Afghanistan- und Kosovo-Heimkehrern). Auch wenn sie körperlich heil
    blieben, viele haben ihr Leid und erlebtes Grauen im Alkohol ertränkt und so
    mancher konnte nicht in geschlossenen Räumen leben, Stadt- und Landstreicher
    wurden auch viele und fuhren über Land um bei den Bauern zu arbeiten. Was man
    gern Penner oder Berber nannte, hatte ich nach Vorschrift meiner Eltern ebenso
    zu grüßen, wie Straßenkehrer und Müllwerker. Man wisse nicht, was zu dem
    Schicksal geführt habe. Hochnäsigkeiten konnten meine Eltern nicht leiden.



    Hochnäsigkeit und Besserwissen, das so viele Redakteure und
    Autoren auszeichnet, die sich erlauben, da wo es ihrer Ansicht nach nicht
    interessant genug ist, etwas dazu zu dichten oder aus verschiedenen Personen
    eine Kiezgröße zu basteln. So erging es auch anderen Menschen in anderen
    Jahrhunderten was die Dichter und die Dichtung betraf (z. B. Nibelungensaga,
    die bekanntlich wahre Hintergründe hat).



    Ich finde es schade, dass Morakys nur diesen Beitrag
    geschrieben hat. Ich möchte gern mehr erfahren, was er von seinem Vater, den
    damaligen Umständen und dem weiteren Lebensweg berichten kann. Ich würde auch
    gern wissen, wie es eigentlich zu dem Namen Hellwegbande kam und wo genau die
    jungen Männer damals wohnten. Ui, die Zuckeraktion hätte aber schön in die Hose
    gehen können ;-) es verfolgen nicht nur hungrige Bewohner und Ameisen solche
    Spuren…



    Liebe Grüße



    Ahörnchen

  • Hallo Ahörnchen und all die anderen, die sich für den Hellweg interessieren!


    Zwei Jahre ist es her, dass ich einen Beitrag über meinen Vater Hubert Lange und seiner "Hellwegbande" veröffentlichte.
    Gestern erst las ich Eure mitfühlenden, ehrlichen Zeilen.
    Ich nehme an, es dauerte mit meiner Antwort solange, weil ich nach meinem Beitrag
    nie mehr dieses Forum besuchte und ich erst mal alles verdrängt habe.


    Trotzdem habe ich mich sofort hingesetzt und schrieb und schrieb.
    Doch jetzt bin ich zu der Erkenntnis gelangt, dass ich mal meine Unterlagen sortiere und
    Fakten sammle und diese vielleicht auf "Papier" veröffentliche.
    Hier im Internet sind meine Zeilen nicht geschützt und es gibt auch Privates aus dem
    Leben Huberts und seiner Familie, das vielleicht interessant für die Leser wäre.


    Nur dieses: Ich bin eine Tochter und keine Sohnemann. ;)


    Der Name Hellwegbande entwickelte sich wahrscheinlich deshalb, da die "Bande" am Hellweg zu Hause war und man dem "Verbrechen" einen Namen gegeben werden "musste". Ob es auch daran gelegen haben könnte, dass der Hellweg mal eine Handelsstraße war und Flingern mit Gerresheim verbindet, weiß ich nicht...



    Bis bald - R.G.