Beiträge von Bear

    Sehe es auch so!
    Bin jetzt seit ein paar Wochen komplett von Facebook weg. Habe meinen Account bis auf weiteres Still gelegt.
    Wirklich fehlen tut mir nur wenig. Mit ein paar Leuten aus meinem Freundeskreis, die im Ausland leben zu Kommunizieren ist da halt recht einfach. Das ein oder andere verabreden/ Organisieren geht da auch ganz gut. Aber ansonsten? Wie gesagt fehlt mir recht wenig. Um so erschreckender ist es, wenn ich mal zurückschaue, wie oft ich am Tag da rein geschaut habe. Und wie wenig ich im Nachhinein davon hatte.
    Ich werde meinen Account demnächst wieder aktivieren, aber ich denke Mein FB Konsum wird ein ganz anderer sein, als zuvor.
    Auch wenn ich in letzter Zeit wenig in der DC war, so bleibt dieses Forum für mich eine Konstante. Mal mit mehr Engagement meinerseits, mal mit weniger. Hier ist es auf jeden Fall gemütlicher als auf FB! ;)

    Auch von mir ein fettes Dankeschön an die Fortuna für diese tolle Saison!


    Zum Thema des frühen Jubels, möchte ich euch einen denkwürdigen Artikel einer befreundeten Autorin nicht vorenthalten.


    Da sie mir den Artikel zukommen lies, werde ich Ihn hier einfach ohne Link einsetzen.


    Let the church mal in the village


    Was ist denn da am Dienstag Abend eigentlich passiert? Gewaltbereitschaft? Todesangst beim gegnerischen Team? Unverhohlene Aggressionen? Ja – aber doch wohl eher in den Reihen, derer, „dessen-Namen-nicht-genannt-werden-sollen“, die aber aus einer weitaus größeren Stadt als Düsseldorf kamen und mit ihrem tun sogar ihre eigenen Spieler in Gefahr brachten.
    Schauen wir uns doch mal an worum es ging.


    Es ging um Menschen, die in ihrer Euphorie, in ihrer Freude übers Ziel hinausgeschossen sind, es geht um einen Fehler, einen Fehlstart weniger, dem Viele folgten.


    Und es ging aber eben auch um einen Wandel, um einen Aufstieg nach 15 langen Jahren Niederlage, Spott und Hohn. „Fifteen years ago, I never stop my dreaming“ um es ein bisschen verändert auszudrücken. Und auch viele von denen Bürgern, die nicht ins Stadion gingen als der Gegner TSV Velbert hieß und sich nicht mit dem Verein identifiziert hatten, stehen heute da und haben ein Leuchten in den Augen als wenn sie selbst den Ball ins gegnerische Tor getragen hätten.


    Was ist nicht alles in diesen 15 Jahren innerhalb unserer Gesellschaft passiert:
    Die DM war weg und der Euro stellte sich für die meisten der normalen Bürger als Mogelpackung und bei weitem nicht als der Glücksgriff für alle Bevölkerungsschichten heraus wie erhofft – ganz im Gegenteil. Aus einer zwei, wurden erst eine drei, dann eine vier Klassengesellschaft. Die Scheidungsrate stieg auf nahezu 50%. Dahinter stehen Enttäuschungen, geplatzte Träume, Unsicherheit und oft nicht verarbeitete Wut.


    PISA Ergebnisse haben uns gezeigt, dass wir lange nicht so klug sind wie die meisten ganz selbstverständlich angenommen hatten. Die Bildung unserer Kinder geht immer mehr an eben diesen Kindern vorbei. Aus Kostengründen wurden vorhandene Lehrkräfte nicht eingestellt, Unterrichtsausfall billigend in Kauf genommen und die zunehmend schwieriger werdenden Lage von Familien ignoriert und nicht durch – ebenfalls vorhandene – Fachkräfte aufgefangen.


    Die Arbeitslosigkeit hat Zahlen erreicht, die kaum fassbar sind, die Angst davor, betroffen zu sein hat sich auf Lebenslust und Lebensfreude gelegt und lässt viele Menschen Dinge tun, die über ihre Kräfte gehen. Die Zahl der Arbeitsausfälle auf Grund psychischer Erkrankungen steigt ständig, Burn out trifft nicht mehr nur andere und wurde unter anderem durch den Selbstmord eines Torwarts und die Bekenntnis eines Trainers aus der Tabuzone ins Licht der Öffentlichkeit gebracht und somit näher an jeden Einzelnen. Leiharbeitsfirmen schossen aus dem Boden, der moderne Sklavenmarkt eroberte zunehmend auch mit Billigung des 'Vater Staates' die Vermittlung von Menschen zu Bedingungen, die zumindest ein Kopfschütteln in der Gesellschaft hervor rufen – zur offenen Empörung hat es noch nicht gereicht, dafür sind vielleicht doch nur zu wenige betroffen.


    Jungs in Garagen entwarfen eine neue, eine virtuelle Welt, in die viele Eltern ihren Kindern nicht mehr folgen konnten. Kinder und Jugendliche erlangten Fähigkeiten auf technischen Gebieten, die zu verstehen vielen Erwachsenen schwer fällt. Ganze Arbeitsfelder kreierten sich neu und gestandenen Männern und Frauen wurde klar, dass sie da mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten, und auch mit mehr als einem Arbeitsleben, finanziell nicht mithalten könnten. Castingshows schossen aus dem Boden, der schnell erlangte Ruhm überstieg den Wert eines mühsam erarbeiteten um Längen. Düsseldorf wurde zu einer Stadt, in der man es sich – nach Meinung seines OB´s – leisten können muss hier zu wohnen und zu leben.


    Der schlimmste aller Albträume, der Bruch eines Atomreaktors in Japan, hat alle Menschen auch hier mit der Nase auf etwas gestoßen, was allen gegenteiligen Aussagen zum Trotz eben doch möglich ist: eine Katastrophe, bei der eine von Menschen gemachte Gefahr nicht durch Menschen aufzuhalten ist. Weit weg und doch nah genug.


    Das alles spielt im Stadion, nebeneinander auf der Tribüne, gemeinsam hoffend, bangend und jubelnd, überhaupt keine Rolle! Da sind alle ein bisschen gleicher, wildfremde Menschen liegen sich in den Armen und Tränen werden vor Kummer oder vor Freude vergossen, ohne dass irgendwer sich dafür schämt.


    Bilder wie die aus Dortmund, die gezeigt haben, was eine schwarz-gelbe Hummel alles erreichen kann, wenn man nur zusammenhält, wenn man als Team agiert, haben Hoffnung gemacht. Die Bilder der Freude, des Taumels in den eine ganze Stadt eingestimmt hat, in dem alle zusammen gefeiert haben, haben den Wunsch in unserer Stadt genährt, das auch zu erleben.
    Und das wollten die Menschen an diesem Abend in ihrem Stadion. Angesteckt durch soviel Begeisterung aus einer Stadt ganz in der Nähe sollte sich auch in Düsseldorf ein Traum erfüllen, der kaum zu träumen gewagt wurde.


    Fortuna – die Glücksgöttin – kommt nach 15 Jahren in den Status zurück der ihr gebührt, ein Signal an die Menschen dieser Stadt. Ein Signal das ihnen sagt: nicht aufgeben, nicht kapitulieren, dran glauben dann schaffen wir es. Zusammen, gemeinsam sind wir so nahe dran.


    In Berlin haben unsere Jungs gezeigt, dass Träume wirklich werden können. Selbst die hartgesottensten Fans hatten sich ein Sieg wohl eher erwünscht als fest daran geglaubt. Und dann? Da war er, ein Sieg. Nein, nicht ein Sieg. DER SIEG, der vorletzte Schritt zum happy end eines Märchens, das eine ganze Stadt eine unglaubliche Hinrunde und eine Herzklopfen bringende Rückrunde lang hoffen und bangen und vor dem Ende zittern ließ. Das 2:1 gegen Berlin


    Am Dienstag Abend standen nun hunderte Fans wie in Trance – zugegeben viel zu früh – vor den Ordnern und warteten auf das erlösende Signal aus der Pfeife des Schiedsrichters. Auf das Geräusch, dass alle Anspannung auflösen sollte, das ihnen zeigte:Ja, wie haben es geschafft, wir sind wieder da, wir sind wieder wer! Alles wird gut. Fortuna ist wieder erstklassig (der Arbeitsplatz ist sicher, die Beziehung zu retten, die Kinder schaffen die Schule und gehen sicher ihren Weg...und...und...und).
    Und dann kam ein Pfiff, der Schiri nimmt den Ball in die Hand und alle Dämme brechen.


    Da war keine Wut, da war unbeschreibliche, fassungslose Freude und Erleichterung, die gefühlt, gelebt werden wollte. Da war keine Bedrohung an die gegnerische Mannschaft, niemand wollte verletzten. Es sollte ein Taumel der Freude werden, eine Insel reinigenden Glücks die einer ganzen Stadt dabei hilft, wieder durchzuatmen


    Nur – es war der falsche Pfiff, 90 Sekunden zu früh. Ein Fehlstart, bei dem einige losrannten und andere folgten. Keiner möchte heute in der Haut derjenigen stecken, die da liefen um 'ihre' Jungs auf den Schultern zu tragen. Das was jetzt auf deren Schultern lastet, möchte sicher keiner übernehmen.


    Aber das, was aus einem tragischen, unglücklichen Versehen heraus passiert ist, in Dimensionen zu tragen, die unangemessen und völlig überzogen sind nur um dann doch noch etwas zu erreichen was eine ganze Session lang vergeigt wurde, spiegelt ebenfalls wieder, was auf anderen Ebenen tagtäglich geschehen ist und geschieht. Die Weigerung, die Verantwortung für das eigene Versagen zu tragen und Konsequenzen zu ziehen, erleben wir besonders in den sogenannten 'oberen Etagen' der Gesellschaft immer wieder.


    Statt eine Niederlage hinzunehmen, sich zu schütteln und zu sehen, was besser gemacht werden kann, wird die Schuld bei anderen gesucht, wird versucht ein fast totes Pferd nochmal zu füttern und zum laufen zu bewegen.


    Also, machen wir uns nichts vor, Fehler passieren und Übermut ist eines der vielen Gefühle von Menschen und beides gehört zum Menschsein dazu. Stellt den Fußball wieder auf den Platz der ihm gebührt: als ein Spiel unter Gleichen, als einen friedlichen Wettkampf, in dem das Feuer in den Spielern während der Spielzeit tobt und nicht als Bengalenlicht auf den Tribünen. In dem es mit dem Schlusspfiff ein Ende hat, man sich die Hand gibt und aus erbitterten Feinden wieder Menschen werden, die sich akzeptieren und respektieren – eben mit ihren Schwächen und Stärken und


    let the church mal in the village


    in diesem Sinne!



    Keri van der Vegte