Beiträge von Raoul Festante

    Deloro, danke für das Zitat bzw. den Hinweis zum Biograph Text. Ich denke, der trifft das Problem im Kern ganz gut und wenn ich mir das zum zweiten oder zum dritte mal durchlese - passt alles. Ich sehe es wie der Beitrag vor mir. Es fehlen die Konzepte zur Belebung des Stadtteils, vor allem fehlt es an günstigen Möglichkeiten für die Entfaltung von Quergeistern. Das ist für mich sogar der zentrale Knackpunkt. Ich wünsche mir deshalb eine massive Zunahme von Studenten-WGs und Freiräume zum Austoben, Musikmachen, kreativ sein und rumspinnen. Nur, werden die hier überhaupt eine Wohnung bekommen?

    ganz ehrlich: berlin ist eine interessante stadt, lebenserhaltungskosten sind (noch) relativ niedrig, es gibt eine lebendige subkultur und für eine großstadt finde ich die menschen dort angenehm nicht-abgehoben. daher also garnicht abwegig die idee.


    ich wohne jetzt seit knapp 2 jahren in flingern nord und ich habe das gefühl/den eindruck: es gibt hier keine mischung. es gibt welten, die aufeinander treffen aber eigentlich im begriff sind, immer weiter auseinander zu driften. die ackerstraße mit den "bunten" boutiquen wo sich das "bunte" publikum trifft, ist eine geschäftstraße wo ich um 21 uhr selten jugendliche rumlungern und bier trinken sehe. junge familien, ja die gibts hier, ok. was ich ansonsten beobachte sind aber eher krasse gegensätze. auf der einen seite ethisch-korrekte biopreise für gut betuchte und 500 meter enfernt methadon ausgabe und fifty fifty verkäufer die sich im winter gerne mal einen ganzen tag vorm netto für fünf verkaufete ausgaben die füße und hände abfrieren. am schönsten war das bild, als im letzten jahr ein demozug gegen gentrifizierung durch flingern nord ging den ich leider verpasste. was für eine ruhe das war, als wäre nichts gewesen. die leute tranken weiter ihren rotwein zum abendessen und ließen la dolce vita weiter laufen. als ich mich vor der kirche in nähe der hoffeldstraße mit einigen protestkids unterhielt kam eine ältere frau vorbei. jetzt kommt ein dummer spruch, dachte ich noch. "ihr könnt gerne mal in unseren innenhof kommen, dass ist alles so schrecklich bieder hier geworden."


    die birkenstraße, ja die hätte für mich potential, die grenzen zu verwischen und begegnungen und stadtteilkultur zu ermöglichen aber hier werden ja ebenfalls ab 21 uhr die bordsteine hochgeklappt, ausser man geht vielleicht in eine spielothek oder in irgendeine kneipe und trifft dort dann vielleicht ein paar ur-flingeraner die mit der entwicklung schon abgeschlossen haben, bevor sie überhaupt zu ende ist. hier irgendetwas wildes, unkonventionelles auf die beine zu stellen kostet vor allem viel geld und ausdauer. der hamburger friseur mit angeschlossenem club auf der ackerstraße bemängelte dass bei einer stadtteilerkundung welche ich mitgemacht habe mal - und kurze zeit später war sein laden auch dicht. die exklusive modeboutique nebenan gibt es soweit ich weiß aber immer noch.


    günstig raum zu finden für kreative projekte oder irgendwo unterzukommen ist hier kaum möglich. falls jemand auf die idee kommt, die hinterhöfe für ein paar quadratmeter fläche abzuklappern - forget it. alles dicht.


    so sieht das hier aus meiner sicht aus und so wird es sich vermutlich auch weiter entwickeln. es sei denn, uns geht hier aufgrund einer weiteren finanzkrise so das geld aus wie den griechen vielleicht, dann dürfte das mit dem aufschwung und der gemütlichkeit schnell wieder vorbei sein und die hybrid-panzer vor den haustüren wieder weniger werden. solange gilt: aber: "jeder ist seines glückes schmied."


    was sagen die ur düsseldorfer dazu?


    für mich geht die diskussion ja über flingern hinaus bis zum wahren platz an der sonne: le flair was denkt hier darüber? jedes mal wenn ich mit der S-bahn aus essen oder duisburg daran vorbeifahre, muss ich an huxleys brave new world denken und wie ich dann gerne John the Savage wäre, der irgendwas an die Wände von dieser sauberen Fassade schmiert. Ich bin gespannt, wie sich der stadtteil weiter entwickeln wird da ich glaube, dass sich dort eine menge menschen für den platz an der sonne tief verschulden. was, denke ich, auch für viele objekte in flingern nord gilt.


    soweit mal einige gedanken zu dem interview.